Die Hardangervidda ist die grösste Hochebene Westeuropas. Der riesige
Nationalpark liegt fast komplett oberhalb der Baumgrenze. Kleinere
und grössere Hügel und unzählige Seen durchziehen das
ausgedehnte Grasland, welches hier in Norwegen "Fjell" heisst.
Auf den Wiesen leben unzählige Schafe, aber auch tausende
Rentiere - die grösste Anzahl wildlebender Ren in Skandinavien.
In acht Tagen durchquerten wir den Park von Haukeliseter im Süden nach Liseth im Norden. Wir hielten uns dabei an die bergigere (und deshalb für uns interessantere) Westseite.
Nachdem wir unser Auto bei der Herberge in Liseth zurückgelassen hatten, reisten wir mit dem Bus nach Haukeliseter. In traumhaftem Sonnenschein ging's entlang des Eidfjordes nach Süden. Die Wartezeiten konnten gar nicht lang genug sein in einer so schönen Umgebung!
Nach einem ganzen Tag im Bus brannten wir natürlich darauf, die Vidda zu bewandern. Wir liefen deshalb sofort los, unser Zelt schlugen wir erst zwei sehr gemütliche Wanderstunden nördlich auf einer saftigen Wiese auf.
Als wir am nächsten Morgen aus dem Zelt krochen war die Sonne hinter
dicken Wolken verschwunden - auf dieser ausgesetzten Hochebene ist dies
das häufigste Wetter.
Der gut ausgebaute Weg machte hingegen das Wandern leicht. Im Gegensatz zum
Sarek stehen zahlreiche Brücken bereit, um die vielen Flüsse
zu überqueren.
Extra für diese Tour hatten wir uns ein neues Zelt gekauft. Anders als in unserem Ultraleichtgewichts-Zeltchen, welches wir in der Schweiz benutzen, ist im Hilleberg Nallo sogar Platz genug um das Nachtessen im Zelt zu kochen. Auf der Vidda schätzten wir diese Möglichkeit sehr!
Ein paar Sonnenstrahlen weckten uns am dritten Morgen. Kaum hatte Peter aber begonnen, auf einer gemütlichen Halbinsel das Morgenessen zuzubereiten, zog eine dichte Nebelwand herbei. Der Nebel blieb uns bis in den Nachmittag hinein treu.
Das viele Wasser, welches immerzu auf die Vidda fällt, muss auch wieder abfliessen. Deshalb ist die Hochebene von unzähligen Bächen, Flüssen und Wasserfällen überzogen.
Kurz bevor die Sonne hinter den Bergen verschwand, hob sich der Nebel für einige wenige Minuten. Wie wild rannten wir mit der Kamera den schönen Fotomotiven hinterher.
Nach Nebel und Nieselregen erlebten wir heute was es wirklich bedeutet,
auf einer derart ausgesetzten Hochebene unterwegs zu sein. Der
Regen erreichte den ganzen Tag lang die Intensität eine Gewitters!
Nicht nur das, es stürmte dazu auch noch stark.
Glücklicherweise lag um die Mittagszeit eine Hütte des
norwegischen Touristenvereins am Weg. Hier konnten wir uns etwas aufwärmen und
abtrocknen während es draussen blitzte und donnerte. Ausserdem gab's einen feinen Rentier-Burger.
Zweieinhalb Stunden nach der Hütte war unser Tagesmarsch zu Ende: Wir erreichten eine kleine Furt. Diese war aber aufgrund des vielen Regens komplett unpassierbar - wir wären in den See gespült worden. So blieb uns nichts anderes übrig, als am mässig windgeschützten Seeufer zu Zelten.
Der höchste und eindrücklichste Berg der Hardangervidda lag heute auf dem Programm. Auf dem Weg dorthin zeigte sich sogar für kurze Zeit die Sonne, was uns verhalten optimistisch stimmte.
Als wir den Fuss des Berges erreichten, war dieser leider komplett im Nebel versteckt. Wir assen unser Mittagessen im leichten Nieselreen und hofften auf eine Wetterbesserung - vergebens. Eine Gruppe Norweger wollte es trotz Nebel und Regen versuchen, uns war das aber etwas zu heikel. Etwas wehmütig machten wir uns auf den Abstieg.
Nach einer halben Stunde Abstieg hob sich plötzlich der Nebel.
Hmmm, jetzt wäre es doch wieder möglich hochzusteigen...
Nach etwas hin und her beschlossen wir, wieder umzukehren und unser Glück
doch noch zu versuchen.
Der Aufstieg gestaltete sich ziemlich abenteuerlich: Zuerst ging es über
triefend nasse, steile Blockfelder in einem Couloir den Berg hoch.
Zuoberst verengte sich dieses in eine enge Schlucht, in der wir mit Hilfe
von Seilen eine nasse Felsplatte hochkletterten. Oben noch ein Stück
entlang eines extrem ausgesetzten Pfades und schon erreichten wir das
Gipfelplateau.
So ganz verliess uns der Nebel nicht, aber wir konnten doch einige
schöne Ausblicke auf die Vidda erhaschen.
Nach unserer Gipfelbesteigung zeigte sich die Sonne etwas stärker. Wir nutzten
das schöne Abendlicht um die Moose, Flechten und Gräser
des Fjells zu fotografieren.
Fjell ist die norwegische Bezeichnung für "Grasland". In anderen
Weltregionenen nennt man diese Lanschaft auch "Savanne" oder "Tundra".
Heute wanderten wir einem grossen Flusstal entlang nach Süden.
Das Essen auf dem Foto ist übrigens ein typisches Mittagessen für
zwei Personen während des Trekkings. Dazu kommen noch 250g Darvida
Bisquits. Wichtig sind: Viel Energie, viel Fett, wenig Wassergehalt
(das kann man ja unterwegs aufsammeln) und möglichst kompakt.
Am letzten Wandetag zeigte sich das Wetter nochmals typisch für die Region.
Wir waren aber frohen Mutes: Unsere Kleider und die Schlafsäcke
waren immer noch trocken, das Zelt dicht.
Trotz des doch bescheidenen Wetterglücks hatten wir eine gute
Zeit auf der Tour.
Nach der langen Wanderung mieteten wir uns für zwei Tage ein
schönes norwegisches Häuschen in Liseth. Bei leckerem Essen und
gemütlicher Stimmung luden wir unsere Batterien wieder auf.
Wir hatten aber auch ziemlich viel zu tun: Alle Kleider waschen, das
Trekking-Equipment reinigen und die nächste Tour vorbereiten. Das
Häuschen sah aus wie das Basecamp einer grossen Expedition: Überall
hingen die Kleider zum trocknen, auf dem Esstisch wurde Essen abgepackt,
Akkus wurden geladen und Karten studiert.
Ursprünglich wären wir gerne zu Fuss weiter nach Norden gelaufen,
wo wir den Hardangerjokulen umrundet hätten. Allerdings verhiess
die Wetterprognose nichts Gutes: Eine ganze Woche Starkregen!
Davon hatten wir aber inzwischen genug. Wir fuhren deshalb in die trockenste
Region Norwegens: Das Rondane Gebirge.