Wir wollten unbedingt einige ethnische Minderheiten in Vietnam
besuchen. Als Ausgangspunkt dazu haben wir uns Sapa ausgesucht. Die Stadt liegt
auf über 1500 m.ü.M. in Nordvietnam, an der Grenze zu China.
Sie ist sowohl mit dem Zug, wie auch mit dem Bus relativ leicht zu erreichen
(nur sechs Stunden mit dem Bus von Hanoi) und deshalb ein beliebter
Ferienort für reiche Vietnamesen. Die Vietnamesen reisen hierher
um die Berge zu sehen, die westlichen Touristen wollen die verschiedenen
ethnischen Minderheiten der Region besuchen. Sapa ist dazu sehr gut geeignet,
da hie nicht nur viele H'Mong und andere Völker leben, sondern auch englischsprachige
Guides Gespräche mit ihnen ermöglichen.
Vorgängig haben wir auf Trip Advisor nach einem guten Touranbieter
gesucht und sind dabei auf Ethos gestossen. Der Grossteil der Einnamen
von Ethos geht direkt zurück an die ethnischen Minderheiten und ihre
Guides sind H'Mong und Red Dao aus den umliegenden Dörfern.
Am Morgen hat uns die strahlende Ker in ihrer traditionellen Kleidung
im Hotel abgeholt. Die H'Mong leben als Reisbauern in den Bergen rund um Sapa.
Jede Familie baut ihren eigenen Reis an, hält Schweine und Hühner und
stellt ihre Kleidung komplett selbst her. Da hier in den Bergen nur eine
Reisernte pro Jahr möglich ist, müssen die meisten Familien anderweitig etwas dazu verdienen.
Ker spricht sehr gut Englisch und arbeitet Teilzeit als Guide für Ethos.
Als erstes haben wir im Markt die Zutaten für unser Mittagessen eingekauft.
Eine kurze Taxifahrt brachte uns nach Sa Pà, dem Ausgangspunkt unserer
Wanderung (nicht zu verwechseln mit der Stadt Sa Pa). Von hier aus wanderten
wir entlang wunderschöner Reisterassen das Tal hoch bis zum
Dörflein Sà Séng, wo Ker mit ihrer Familie lebt.
Im Verlauf unserer Zeit in der Region lernten wir noch viele weitere
Familien in dem Dörflein kennen. Da bei der Heirat die Frau ins Dorf ihres Ehemannes
zieht, sind viele der Einwohner verwandt, man trifft ständig auf
Brüder, Väter und Söhne von Leuten die man bereits kennt.
Reis wächst hier im Winter keiner, weshalb viele der Reisterassen
trocken liegen. Die besseren Felder sind auch im Winter bewässert,
was sich positiv auf die Qualität des Bodens auswirkt.
Bei ihrem Haus angekommen, durften wir Ker beim Kochen zuschauen.
Ihre kleine Tochter hat sich sofort mit uns angefreundet und hat uns
prächtig unterhalten.
Hier kamen wir zum ersten mal mit dem Thema in Kontakt, was uns später
einen Monat lang beschäftigte: Die verrauchten und kalten Häuser der
H'Mong. Ker hat vor kurzem eine neue Küche ans Haus angebaut, weshalb
das Haus jetzt nicht mehr so verraucht ist (üblicherweise ist die
Feuerstelle in der Mitte des Hauses). Trotztdem kocht sie immer noch am
offenen Feuer - in der Küche ist der Rauch derart dicht, dass einem
das Atmen schwer fällt.
Die schönen schwarzen Kleider der H'Mong müssen einmal pro Jahr frisch mit Indigo gefärbt werden. Dazu werden Indigo Pflanzen und Asche in einem grossen Kübel mit Wasser gemischt. Da die Kleider für Tet (das chinesische Neujahr) neu aussehen müssen, waren nun alle Frauen mit dem Färben ihrer Kleider beschäftigt.
Nach dem Mitagessen wanderten wir weiter nach Lo Lao Chai, wo die Eltern von Ker wohnen.
Die Nacht verbrachten wir bei den Eltern von Ker in Lo Lao Chai. Sie wohnen in einem grossen Bauernhaus mit vielen Tieren. Wie überall in der Region rannten auch hier viele junge Schweinchen herum. Ganz lustig war die Fütterung der kleinen Tierchen. sie wühlten derart wild im Futter herum, dass sie danach patsch nass waren!
Wasserbüffel werden auf den Reisfeldern gebraucht und sind
deshalb der wichtigste Besitz einer Familie. Ein ausgewachsener Büffel
kostet 2000$, selbst ein kleines Büffelchen wird bereits für
1000$ gehandelt! Selbstverständlich können sich deshalb
nur wohlhabende Familien einen Büffel leisten.
Wer keinen eigenen hat muss ihn von seinen Nachbarn mieten.
Üblicherweise wird Arbeitsleistung mit Gegenleistung bezahlt: Hilft ein
Nachbar einem andern für einen Tag, so ist dieser ihm einen Tag
Arbeit schuldig. Eine Tagesmiete für den Wasserbüffel kostet
aber ganze sechs Arbeitstage!
Gegessen wird im Hauptraum, an einem grossen (aber ziemlich tiefen) Tisch. Die ganze
Familie isst zusammen. Wenn Gäste da sind wird natürlich
ein Festmahl aufgetischt.
Die H'Mong kochen immer gleich:
Nacheinander werden pfannenweise verschiedene Gemüse und Fleisch
gekocht und in Schüsseln gefüllt. Anschliessend wird alles auf den Tisch gestellt.
Jeder hat sein eigenes Reisschälchen und bedient sich vom gemeinsamen
Essen in der Mitte des Tisches.
Der Vater von Ker ist ein bekannter und beliebter Schamane, seine
Frau wendet Heilkräuter an. Als wir sie besucht hatten torkelten
die beiden gerade nach Hause nach einer erfolgreichen Schamanen-Nacht. Vor Tet, dem
chinesischen Neujahr, möchte jeder nochmals den Schamanen im Haus
haben, weshalb die Eltern von Ker sehr beschäftigt waren.
Schamanismus ist immer noch weit verbreitet und ein integraler Bestandteil
der H'Mong Kultur. Der Schamane wird nicht nur bei Krankheit und Unglück
aufgesucht, sondern auch um Glück herbeizuwünschen. Bei schwereren
Krankheiten muss als Opfer jeweils ein Schwein geschlachtet werden - dies
ist mit ein Grund warum jede Familie Schweine hält. Der Schamane
bekommt den Kopf des Schweins als Lohn. Wir bekamen deshalb unter anderem
Schweinekopf als Nachtessen.
Nicht nur Männer sind Schamanen, wir trafen später noch zwei
Schamaninen (Sa und die Grossmutter von Bing).
Den nächsten Tag wanderten wir weiter durch Reisterassen. Das grosse, offene Tal bot eine wunderbare Aussicht. Unten an der Hauptstrasse verkauften einige Läden Souvenirs. Wir waren fasziniert von der alten Singer Nähmaschine mit Fussantrieb - die war wohl doppelt so alt wie wir!
Wir hatten nach dem Spirit Tree Trekking noch nicht genug von den
Bergvölkern und brachen deshalb am nächsten Tag
gleich wieder zum nächsten Abenteuer auf. Diesmal fuhren wir mit
Diep und Ma Mey hinunter nach Lai Châu, zu den Lao Lu.
Das Wetter hielt und wir konnten die traumhafte Aussicht bei blauem
Himmel bewundern.
Hier unten kann auf gewissen Feldern zweimal im Jahr Reis angebaut werden. So bekamen wir doch noch junge Reispflanzen zu sehen.
Wie schon beim Trekking brachten wir auch hier unser eigenes Essen mit. Unser erster Stopp im Tal galt deshalb dem Markt.
Anschliessend unternahmen wir einen kleinen Ausflug zu einem wunderschönen Wasserfall. In der Gischt des Wasserfalls steht ein ewiger Regenbogen.
Die Nacht verbrachten wir wiederum im Homestay, diesmal bei einer
Lao Lu Familie. Das Dorf liegt ziemlich abseits der Touristenrouten. Wir
waren erst die dritte Gruppe von Ethos die hier übernachteten. Da die Betten für uns zu kurz waren, konnten wir auf Matratzen im Hauptraum übernachten.
Die Häuser der Lao Lu unterscheiden sich stark von denen der H'Mong.
Der augenfälligste Unterschied ist, dass sie auf Stelzen stehen. Die
Tiere leben unterhalb des Hauses, hier laufen die Hühner nicht einfach
ungefragt in die Wohnung. Gekocht wird zwar ebenfalls auf dem offenen Feuer,
die Küche ist aber ein luftiger Anbau, aus dem der Rauch schnell
abzieht. Da die Lao Lu 800 Höhenmeter weiter unten leben
haben sie kein so grosses Problem mit der Kälte.
Die Lao Lu sind wohlhabender als die H'Mong um Sapa. Aufgefallen ist uns,
wie viele Wasserbüffel auf den Weiden um das Dorf herumwanderten.
Der Grund dafür ist das Klima: Hier unten sind zwei Reisernten pro
Jahr möglich, während in Sapa nur einmal geerntet werden kann.
Die Lao Lu liessen sich von uns nicht stören und gingen ihren alltäglichen Verrichtungen nach: Reparieren von Fischernetzen, Füttern von Tieren, Nähen von Kleidern,...
Mit den genialen Fischreusen im Fluss lassen sich die Fische ohne grossen Aufwand einfangen.
Das Glück war auf unserer Seite. Nicht nur hatten wir während
des ganzen Ausflugs traumhaftes Wetter, wir wurden sogar zu einer Hochzeit
eingeladen!
Am Morgen liefen alle Dorfbewohner in ihren schönsten Trachten herum, was uns
zuerst etwas sonderbar vorkam. Beim Morgenessen fragten uns unsere Gastgeber,
ob wir sie zu einer Hochzeit begleiten wollten. Natürlich wollten
wir das, mit Vergnügen! So machten wir uns anschliessend ins Nachbardorf auf,
zum Haus der Braut.
Leider hatte der Roller von Diep auf dem Weg dorthin einen Platten, welcher
zuerst repariert werden musste. Wir teilten uns auf: Daniela ging ganz
alleine (ohne Übersetzerin) an die Hochzeit, während Peter den
Reifen reparierte. Eine ziemlich lustige Angelegenheit, mitten auf dem
Land mit sehr improvisierten Mitteln (zum Beispiel Schweinefett statt
WD-40) unter stetiger Beobachtung der Dorfbewohner ein Rad zu wechseln.
Da sich die Reparatur des Reifens hinzog, war Daniela die ersten zwei Stunden an der Hochzeit ganz auf sich alleine gestellt. Da sie weder Lao Lu, noch Vietnamesisch spricht, konnte sie sich nur mit Händen und Füssen verständigen. Nichts desto trotz wurde sie sofort als offizielle Hochzeitsfotografin eingestellt und musste allerlei Aktivitäten fotografieren. Immer wieder zog sie jemand am Ärmel und brachte sie in ein anderes Haus, um weitere Gruppen abzulichten.
Der Reiswein hat sicher sein eigenes Kapitel verdient. Bei jeder Einladung
wird zum Essen immer mit Reiswein angestossen. Der "Wein" ist in Wahrheit destillierter
Reisschnaps mit einem unbestimmten Alkoholgehalt (35% - 70%). Wir haben
immer versucht nicht allzu stark betrunken zu werden, was allerdings nicht
ganz einfach war. Immer wieder wird angestossen, ein leeres Glas wird sofort
wieder gefüllt. Zeitweise mussten wir auf Tricks zurückgreifen
und füllten unsere Gläser unter dem Tisch mit Wasser.
An der Hochzeit wurden natürlich raue Mengen von Reiswein getrunken. Die
Gastgeber stellten für das drei Tage dauernde Fest für die 300 Gäste
über 300 Liter bereit! Natürlich brachten die Gäste selber auch
Wein mit!
Die Braut und ihr Bräutigam waren ausserordentlich scheu und zeigten kaum je ihre Gesichter - eine Herausforderung für die Fotografin! Überraschend war dies nicht, waren die beiden doch erst 16 Jahre alt. Das ist übrigens das normale Alter zum Heiraten bei den Bergvölkern. Wir haben einige Frauen getroffen, welche mit 18 schon ihr zweites Kind hatten!
Nach dem Essen hielten die Eltern dem Hochzeitspaar eine Ansprache.
Das Paar kniete dazu am Boden, während die älteren Herren
ihnen lautstark Tipps fürs Leben auf den Weg gaben (was genau
diese Tipps waren konnten wir nicht herausfinden, da weder Diep noch
Ma Mey Lao Lu verstehen). Zwischendurch standen der Bräutigam und seine Kollegen auf und verneigten sich.
Nach den Ansprachen trank der Bräutigam mit den neuen Verwandten
je ein Glas Reiswein.
Anschliessend folgte eine ganz lustige Tradition: Die Schlacht um die Mitgift.
Die Mitgift der Braut war im Haus der Brauteltern aufgetürmt worden.
Wie früher bei uns umfasste sie alles, was man hier so für einen
Haushalt braucht: Decken, Matratzen, Stühle, usw.
Die Aufgabe der Familie und Freunde des Bräutigams war es nun, die
Sachen durch die Tür hindurch nach draussen auf den Lastwagen zu bringen.
Die Familie der Braut versuchte derweil, jeden der die Türe passierte
zu zwingen ein Glas Reiswein zu trinken (ja der Reiswein fliesst hier
in Strömen...), und ihnen Dreck auf den Rücken zu schmieren.
Dies soll dem so beschmierten Glück beim Reisanbau bringen. Wir hoffen
deshalb, das Daniela nun sehr gute Erträge auf unseren Reisfeldern
erwirtschaftet...
Die Brücke zum Dorf des Bräutigams war für Reperaturarbeiten gesperrt, weshalb die Hochzeitsgesellschaft das behelfsmässige Floss nutzen musste. Eine gefährlich wackelige Angelegenheit!
Die Familie der Braut feierte zuhause weiter, während wir
zusammen mit dem Hochzeitspaar und einigen wichtigen Gästen zum
Haus des Bräutigams gingen.
Hier folgte eine weitere Zeremonie: Um die Familienbande zu schliessen
banden sich die Familienmitglieder der nun vereinten Sippen gegenseitig
Bändel um die Handgelenke. Anschliessend wurde der Braut die Mitgift
des Bräutigams übergeben, der Brautschmuck.
Schlussendlich schafften wir es doch noch ein Foto des jungen Päärchens zu schiessen.
Wir wollten unbedingt vor Sonnenuntergang zurück in Sapa sein, da Rollerfahren nachts im Nebel nicht gerade ungefährlich ist. Als wir uns aber endlich von der Hochzeit losreissen konnten, ging die Sonne schon fast unter. Ausserdem dauerte es natürlich wieder ein Weilchen bis wir den Fluss überquert hatten. Wir schafften es aber trotzdem sicher und wohlbehalten wieder zurück auf den Berg.